23.08.2012 | 10:09 AM | Kategorie:
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Von Urlaubspost und Bandwürmern

Löschen, löschen, später bearbeiten, verschieben in Kundenordner X, löschen, löschen, löschen, in der Inbox lassen, … Nach dem Heimkommen vom Urlaub heißt es nicht nur Koffer auspacken, Wäsche sortieren, Wohnung lüften, etc. sondern auch Post durchgehen und Inbox aufräumen. Mit der dreidimensionalen Post war ich zwar schneller fertig, die elektronische animierte mich allerdings zu einigen Überlegungen…

So monoton „Inbox aufräumen“ scheint, erfordert diese Arbeit doch vielfältige kognitive Leistungen: Es geht um Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Selektionsfähigkeit, das Erinnern, Denken und Entscheiden, etc. etc. Diese Leistungen laufen automatisch und oft unbewusst ab – genauso wie die damit verbundenen Gefühle. Auf letztere habe ich diesmal geachtet und u.a. folgende identifiziert:

  • Freude, wenn die Betreffzeile tatsächlich mit dem Inhalt übereingestimmt hat (das spart viel Zeit!);
  • Interesse, wie ich auf den Verteiler mancher Mails kam, weil’s mich überhaupt nicht betrifft;
  • Ärger, wenn der Absender nicht klar formuliert hat, was er konkret von mir erwartet;
  • Überraschung, dass immer noch viele Mails offensichtlich gedankenlos verschickt werden.

Woran ich gedankenlose Mails erkenne? Da gibt es z.B. die „Bandwurm-Mails“ – sehr beliebt übrigens bei Vereinen und ähnlichen Organisationen. Sie fangen ein Thema an, haben meist kein klares Ziel und gehen an einen großen Verteiler. Dann passiert folgendes: Einzelne kommentieren und machen Anmerkungen (die sich teilweise zeitlich überschneiden), es entstehen Zweier- oder Kleingruppendiskussionen (immer noch an den gesamten Verteiler versendet), ein neues Thema schleicht sich ein (immer noch mit derselben Betreffzeile), usw. Zwei Schicksalsvarianten erleidet der „Bandwurm“ meistens:

  1. Er verendet still und leise im (Gott-sei-Dank fast unendlichen) Mail-Universum, weil sich keiner mehr angesprochen bzw. zuständig fühlt.
  2. Er wird von einem entnervten Adressaten gekillt – manchmal so radikal, dass danach absolute Funkstille – zumindest zu diesem Thema – herrscht.

Wenn’s hart kommt, weiß in beiden Fällen keiner, was aus dem ursprünglichen Anliegen geworden ist. Je nach Archivierungs-System verschwinden diese Bandwurmleichen im Papierkorb, in einem Ordner (wovon viele Papierkorb-Funktion haben) oder sie bleiben in der Inbox (ganz schlimm, weil man relativ bald gar nichts mehr findet). Der Absender, dem letztlich nicht geholfen wurde, kann jedenfalls einiges daraus lernen. Insgesamt ist jedoch klar, dass diese Art der Kommunikation weder effektiv noch effizient ist.

In fast allen Organisationen oder Unternehmen, die ich kenne, ist „E-Mail“ ein Thema. Viele Mitarbeiter und Führungskräfte stöhnen über schlechte E-Mail-Kultur oder E-Mail-Overload (ein Begriff, der bereits 1996 von Whittaker & Sidner geprägt wurde; damals schrillten allerdings schon bei 40 E-Mails pro Tag alle Alarmglocken). Vom ursprünglich einfachen und vereinfachenden Kommunikationsinstrument ist es zu einem Stressfaktor geworden. Und noch lange nicht alle Betroffenen haben erkannt, wie sie selbst dazu beitragen können, den Overload einzudämmen bzw. mit ihm fertig zu werden. Doch dazu ein anderes Mal…

OK, für die Zeit bis dahin ein Tipp: Bevor Sie die/das nächste E-Mail schreiben, überlegen Sie, ob es wirklich das richtige Instrument ist. Wenn es per Telefon oder mit einem persönlichen Gespräch auch geht, dann wählen Sie unbedingt die direkte Kommunikation!

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