08.02.2010 | 3:20 PM | Kategorie:
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Politische PR und Rhetorik

Ob sich Politik-PR von einer Produkt- oder Unternehmens-PR unterscheiden? wurde ich für diesen Blog gefragt. Und falls ja, worin? Gleich vorweg: Natürlich gibt es viele Gemeinsamkeiten. Wenn es auch in der Politik nur vereinzelt eine „Produkt“ PR geben mag – z.B. für politische Einzelmaßnahmen wie etwa dem EU-Beitritt – so bestehen doch unzählige Parallelen zwischen einer strategischen Unternehmens-PR und einer politischen PR. Mit abweichenden Besonderheiten, von denen ich zwei herausgreifen möchte.

Strategiebewusstsein

Einen nicht unbedeutenden Unterschied zwischen einer strategischen PR für eine Partei und ein Unternehmen sehe ich im Begriff „strategisch“. Impliziert dieser doch ein Mindestmaß an Langfristigkeit. Politische PR scheint mir dagegen immer kurzfristiger zu werden. Immer schneller halten es Spitzenpolitiker für notwendig, die Partei (oder Ministerien u.a.) „neu“ zu positionieren, getrieben von Resultaten der Meinungsforschung und ängstlichen Funktionären in immer kürzeren Abständen. Sicher auch getrieben von ihrer eigenen, oft nur kurzen Lebensdauer in dieser Funktion. Bei allem Wissen um den positiven Effekt von Relaunches kostet dieser Mechanismus in zu kurzen Abständen oft Glaubwürdigkeit und natürlich immer Geld.

Politische Kurzfristigkeiten sind die eine Krux. Sie sind in meinen Augen jedoch ein kalkulierbarer Preis unserer Demokratieform mit all ihren Inszenierungsnotwendigkeiten im derzeitigen Medienumfeld. Gute Politik-Strategen wissen darüber Bescheid und wirken aus der zweiten Reihe (mit dem hoffentlich nötigen Vertrauen der Partei) in Form von längerfristigen Inhalten mehr oder weniger erfolgreich dagegen. Das Vertrauen unserer politischen Parteien, diesen Prozess über einen längeren Zeitraum auch von einer Agentur oder externen Beratern begleiten zu lassen, ist in Österreich praktisch nicht gegeben (vgl. dazu eine hervorragende Studie von Andreas Lederer und Gerald Neugschwandtner: „Das funktioniert hierzulande alles ein bisserl anders“).

Politische Rhetorik

Die größten Unterschiede und PR Versäumnisse sehe ich in der politischen Rhetorik. Also in der Tages PR. Und zwar schon im Erfolgsverständnis von politischer PR. Denn was gilt gemeinhin als größter PR Erfolg? Zustimmung. Und das ist falsch, weil zu kurz gedacht. Denn der noch wichtigere PR Erfolg heißt Aufmerksamkeit. („Wohlwollende Aufmerksamkeit“ meine ich hier, nicht die Skandalneugier.) Jeder gute Chefredakteur weiß das, so wie auch alle „gestandenen“ Rhetoriker und Top Politiker das immer schon wussten. Für einen Chefredakteur misst sich Aufmerksamkeit in Leserzahlen. Für den Politiker in medialer Präsenz. Und für die gesamte Politik letztlich in der Wahlbeteiligung.

Denn Aufmerksamkeit beinhaltet Interesse UND Respekt vor dem Sprecher. Selbst von Seiten des Gegners. Das suggestive Heischen nach Zustimmung, von dem unser öffentlicher politische Diskurs derzeit besonders stark bestimmt wird, hat dagegen einen hohen Preis: Die Politiker degradieren sich mit diesem Sprachgestus selbst zu lästigen, dubiosen Verkäufern, denen wir lieber nicht die Tür öffnen. Zu Recht. Und sie leisten damit einen kontinuierlichen Beitrag zur ansteigenden Politikverdrossenheit.

Ein aktuelles Beispiel? Etwa die Volksbefragung in Wien: Wer mit seiner Sprache die höchsten Vertreter der Meinungsforschung gegen sich empört, hat mit dem politischen Instrument „Volksbefragung“ PR-technisch etwas falsch gemacht. Die Rechnung wird leider folgen. Und sie wird nicht direkt lesbar sein: In Form eines noch weiter abnehmenden Politikinteresses der Bevölkerung. Und in einem noch stärkeren Abwenden der „Intelligenz“ von der Politik, was aufgrund deren Inkubator- und Multiplikatorfunktion immer besonders gefährlich war und ist. Beispiele dieser Art lassen sich natürlich in allen Parteien finden.

Das PR Gegenmittel: Die Aufmerksamkeit des p.t. Publikums stärker in den Mittelpunkt stellen. Sie ist die härteste PR Währung und wird nur dort gewährt, wo Inhalte, die uns betreffen, interessant und GLAUBWÜRDIG vermittelt werden. Spitzenpolitiker können das grundsätzlich, sie würden sonst keine sein. Allerdings benötigt ihr parteiinterner Weg auf diesen Platz eine meist andere Rhetorik, als sie dann vor der „großen“ Öffentlichkeit gefragt ist. Der notwendige Rhetorik-Switch im Scheinwerferlicht gelingt dabei oft nicht schnell genug. Er erfordert einerseits Wissen über öffentliche Kommunikation sowie andererseits Glaubwürdigkeit und neuen Mut in der Persönlichkeitsinszenierung (auch den eigenen Reihen gegenüber). Denn das Publikum will rhetorische Wahrheiten spüren.

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